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Stories
Der Kulm Country Club – Eine Institution erfindet sich neu

Der Kulm Country Club - Eine Institution erfindet sich neu

Andrea Delvò ist hier der Boss. Ein netter, zu netter Italiener, der sich vorher in Antibes, Sardinen und Griechenland rumgetrieben hat. Hotelfachschule Stresa, die italienische Form von Lausanne. Er erinnerte mich stark an einen Parmesanbauern aus Emilia Romagna, der auch am Anfang zu nett war und dann mein bester Freund wurde. Wir sprachen ein bisschen darüber, was es bedeutet, Barmann zu sein. Auf jeden Fall nicht nur ein Mixologe, stimmten wir lachend überein. Ist ja nicht nur Zeug zusammenschütten und Cola kaufen. Es sind die ganzen Erfahrungen, die er gesammelt hat, eine Balance der Gegensätze, Sauer & Süss, Bitter & ….? Das Gegenteil gibt es laut Duden nicht. Ein guter Barmann muss wissen, wer die Orangen schält, die er in Form von Likören benutzt. Das weiss aber kaum einer zu schätzen und ist für viele auch nicht ersichtlich, aber alle setzen es voraus. Ob ihm das manchmal nicht fehlt? Ich kriege ja auch nur Absagen und wenn etwas gut ist, sagt es keiner. Man kann auch nicht nur ein bisschen Barmann sein, genauso wie Concierge oder Hoteldirektor.

Andrea meinte, was ein guter Barmann ist, bemerkt man, wenn er den Raum verlässt. Er ist für die Atmosphäre einer Bar unersetzlich. Mario an der Palace Bar wäre so ein Mann gewesen, 47 Jahre lang, bei ihm hätte er gelernt und danach zehn Jahre die Bar übernommen, was natürlich ein Himmelfahrtskommando gewesen ist, wie wenn man Präsident wird, nach einem, der sehr legendär war. Es gelang. Nach zehn Jahren Palace ging er nach Griechenland, kam wieder, machte sich in Silvaplana selbständig und fing im Kulm an. Es gab ein paar Anrufe und als er hörte, dass Mauro Colagreco, ein Chef aus Menton, der zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco gehört, auch hier beginnt, sagte er zu.

Danach setzte ich mich kurzärmlig draussen auf die Terrasse in die Sonne. Ab und an kam ein Kellner vorbei und fragte, ob’s noch was sein kann. Man sieht auf den zugefrorenen See und beobachtet Leute auf dem Eis. Da waren Familien, die Schlittschuh liefen oder Eishockey spielten und eine, die richtig Schlittschuh lief. Ich bildete mir ein, dass das eine russische Aristokratin sein muss, wie die da ihre Pirouetten drehte. Der Himmel war Blau und das Kulm-Logo ragte rechts aus dem Schnee und vor mir stand ein neuer Drink in der Sonne. Man konnte sich den Laden unmöglich nachts mit Leuten vorstellen. Andrea hatte aber gemeint, dass der Club nicht so bleibe wie er jetzt ist.

Das Konzept wäre Apéro, Essen, dann vielleicht Tanzen, muss man aber nicht. Dass in St. Moritz ein DJ aus Lissabon eingeflogen wird, anstatt was von Spotify zu spielen, auch wenn nur drei Leute da sind, versteht sich von selbst. Am Nachmittag schaute ich noch bei meinen Cresta-Kumpels vorbei, natürlich mit Kamera, um ein bisschen zu provozieren. Der Mann, der mich das letzte Mal aus seinem Lautsprecher anschrie, war aber nicht da. Die Leute waren überraschend freundlich und hatten Ringe ihrer Familien am Finger und mit denen sie Top-Manager auf die Schulter zu klopfen pflegten.

Author: Konstantin Arnold