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Personal Shopping: mein erstes Erlebnis

Personal Shopping: mein erstes Erlebnis

Unvergesslicher Tag mit Teodora, Concierge und Personal Shopper

Ein Sonntagmorgen Ende Januar. Das endlose Grau in Grau in Mailand entzieht mir die Lebensfreude. Mein Tagesziel? So schnell wie möglich den Ort erreichen, an dem fast immer die Sonne scheint und frische Bergluft meine Seele belebt: St. Moritz. Ich packe schnell meinen Koffer mit den Basics – ohne dabei die Rückreise mit Zusatzgepäck vorauszusehen. In etwas mehr als drei Stunden erreiche ich das von Johannes Badrutt gegründete Kulm Hotel, das erste in diesem paradiesischen Alpenkurort. Beim Eintreten zieht mich die Pracht der wunderschönen Trompe-l’œil-Dekorationen in der vom Architekten Renzo Mongiardino entworfenen Lobby in seinen Bann. Ach, wie schön. Hier empfängt mich Teodora – Concierge of the Year 2023 des Kulm Hotel und erste weibliche Concierge des Etablissements – mit einem Lächeln. Bei der kurzen Vorstellungsrunde erfahre ich, dass sie auch Personal Shopper ist: Ich kann der Versuchung nicht widerstehen und vereinbare sofort einen Termin. Kurz darauf frage ich mich natürlich, ob ich das wirklich brauche. Sicher, Shoppen hebt die Stimmung und das Selbstwertgefühl; man verbrennt ein paar Kalorien und pflegt soziale Beziehungen… Aber am liebsten ziehe ich allein los, denn dann fühle ich mich unabhängig und niemand drängt mich.

Warum sollte ich also jemandem die Aufgabe anvertrauen, für mich Kleidung, Accessoires oder Blumen auszuwählen? Einen Insider zur Seite zu haben hat aber unschlagbare Vorteile, die ich erst bei unserem Rundgang durch die Boutiquen in St. Moritz zu schätzen lerne. Ich werfe meine Vorurteile über Bord, nippe an einem Americano und geniesse im Kulm einfach den atemberaubenden Panoramablick auf die Berge. Zwei Stunden später beginnt meine Verabredung mit Teodora in der Lobby. Ich bitte sie, mir jene Geschäfte zu zeigen, von denen sie denkt, dass sie zu mir passen. So machen wir uns also auf den Weg. Ich beobachte sie in den hypnotisierenden Sonnenstrahlen. Ihr langes, blondes Haar ist sehr gepflegt. Ihre Haltung selbstbewusst und elegant. Sie spricht mit ruhiger Stimme und jedes einzelne Wort strahlt Sanftheit aus. Ich habe das Gefühl, dass ich sie schon mein ganzes Leben lang kenne. Während wir das besonders milde Wetter kommentieren, denke ich darüber nach, welche Eigenschaften Personal Shopper haben sollten. Ohne zu zögern, frage ich sie danach. Intuition, Organisationsfähigkeit und absolute Diskretion”, erklärt sie mir. Unsere Kunden sind oft bekannte Menschen, die ihre Privatsphäre so gut wie möglich schützen und ihre Zeit optimal nutzen möchten: Eine gewisse Schnelligkeit ist also auch unabdingbar.”

Ich stelle mir ihren täglichen Stress vor – den ich niemals bewältigen könnte – und frage sie, ob sie aus Zufall oder Leidenschaft zu diesem Beruf gekommen ist. Natürlich aus Leidenschaft, für mich ist es ein Vergnügen und ich empfinde es nicht als Arbeit. Ich helfe anderen gern. Für mich ist es wichtig, dass sich die Kunden wohlfühlen, eine schöne Erinnerung behalten und gerne wiederkommen, weil sie sich hier wie zu Hause fühlen.” Heutzutage findet man nur selten jemanden, der seine Arbeit so sehr liebt. Ihre Worte sind tiefgründig, und die dadurch entstehende Empathie macht mich immer neugieriger. Wer weiss, wie sie komplexere Aufträge angeht. Im Falle eines ‹Fashion Emergency› studiere ich im Voraus das komplette Programm des Kunden, um den zeitlichen Rahmen zu bestimmen. Dann erkundige ich mich nach den Vorlieben, kontaktiere die einzelnen Boutiquen, um die Verfügbarkeit zu erfragen, und schliesslich gehen wir zur Anprobe in das Geschäft oder ich lasse mir die Auswahl gegebenenfalls direkt ins Hotel liefern. Es gibt für alles eine Lösung”, erklärt sie lächelnd. Ich hätte es mir zwar denken können, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie noch organisierter wäre als ein CIA-Agent.

Ich fasse mir ein Herz und stelle weitere Fragen. Einige Antworten sind so besonders, dass ich sie lieber für mich behalte. Ausserdem liegt in diesen Privilegien auch ein Teil der Schönheit meiner Arbeit. Wir spazieren durch die Strassen und betreten von Teodora ausgewählte Boutiquen wie Bucherer, Dior, Hermès, Lorena Antoniazzi, Modes und Trois Pommes. In jedem Geschäft werden wir von den Filialleitern herzlich empfangen. Sie stellen sich mit äusserster Höflichkeit vor und präsentieren uns Neuheiten, Must-haves der Saison, extravagante oder kultige Stücke, die meinen Ansprüchen genau entsprechen. Wir plaudern und scherzen mit ihnen, ganz als ob sie alte Freunde wären. Dieses «Ritual» wiederholt sich in fast allen Läden – auch wenn es unwirklich scheint. Ich muss zugeben: Ohne Teodora wäre es ganz anders gekommen. Sie selbst stellt mit ihrem Wissen, den freundschaftlichen Beziehungen, die sie zwanglos pflegt, und den wertvollen Ratschlägen den eigentlichen Mehrwert der gesamten Erfahrung dar. Mit diesem Teddy-Mantel, einem Kaschmirpullover, Jeans und Moon Boots ist Ihr Style perfekt.” Im Nu und mit minimalem Aufwand steht mein Total White Look für eine improvisierte Dinnerparty. Teodora lädt mich ein, die weiche Haptik eines Oberteils zu spüren. Sofort fällt mir wieder ein, wie ich online ein ähnliches Produkt bestellt hatte: Ich hatte es besonders eilig, aber die mir gelieferte Grösse stimmte nicht. Schliesslich dauerte es zehn Tage, den Fehler zu beheben. Zu viel für mich mit Sternzeichen Jungfrau und meiner dafür typischen Präzision und Ungeduld.

Die Kombination aus Eindrücken, Rückblicken, Spass, Händeschütteln und Überlegungen hat mich überzeugt: Personal Shopping ist sehr viel angenehmer als online bestellen oder einzig mit der Person in Läden zu gehen, mit der ich mich immer gut verstehe: mir selbst. Wer hätte das gedacht? Und meine Überzeugung wächst und wächst, besonders als ich sehe, wie meine Personal Shopper auf ein Paar Saint Laurent-Sandalen zeigt: meine Lieblingsmarke. Ohne dass ich etwas gesagt habe, scheint sie all dies erraten zu haben. Die Stimmung ist ausgelassen und meine anfänglichen Zweifel an dieser ersten Erfahrung haben sich endgültig verflüchtigt. Ich kichere leise bei dem Gedanken, dass ich meine Psychotherapiesitzungen durch Shopping mit ihr ersetzen könnte. Aber was jetzt folgt, toppt alles. Genau wie eine mir wirklich nahestehende Person, sagt sie: “Ich nehme dich jetzt an einen besonderen Ort mit. Wir sind im Läderach: Meine Geschmacksknospen sind in Festtagsstimmung und edler Genuss versüsst uns die letzten gemeinsamen Minuten. Und als ob das noch nicht genug wäre, besteht meine neue Freundin darauf, mir eine Schachtel Pralinés zu schenken. Ein unerwartetes Geschenk, das mich daran erinnert, dass wahrer Luxus in kleinen Gesten jener liegt, die jeden Tag das betonen, was wir Gefahr laufen, zu verlieren: unsere Menschlichkeit.

P.S: Wie verzaubert von der magischen Erfahrung habe ich glatt vergessen, ein Foto von Teodora zu machen. Jemand hat das freundlicherweise für mich nachgeholt. Ausserdem gibt es – wie sie lehrt – für alles eine Lösung.

Author: Carlotta Licciardi – Fashion & Lifestyle Contributor für Vogue.it und VanityFair.it.