Ein Interview mit Luke Edward Hall
Von
Kulm Hotel
Luke Edward Hall ist einer der gefragtesten Künstler und Designer unserer Zeit. Mit der Neugestaltung des Restaurants Amaru im Kulm Hotel hat er neue extravagante Impulse nach St. Moritz gebracht. Hier erzählt er, warum das Amaru ein Traumprojekt war, was die meisten Leute bei der Einrichtung ihrer eigenen vier Wände stresst und warum er sich manchmal wie ein Filmregisseur fühlt.
In einem Interview im Jahr 2016 sagten Sie: «Ich würde gern das Cover für einen guten Roman gestalten, und ich würde gern die Inneneinrichtung eines Restaurants machen.» Wie weit ist es mit der Erfüllung dieser Bucketlist?
Dies ist mein drittes Innenarchitekturprojekt. Ich habe letztes Jahr ein Hotel in Paris, ein Restaurant in Dubai und dann dieses Restaurant hier gestaltet. Auch habe ich ein Cover für einen Roman namens Hotel du Lac gestaltet und arbeite gerade an einigen Illustrationen für zwei Bücher, die ich liebe. Also ja, es geht voran! (lacht)
Ihre Illustrationen scheinen in Ihrer Arbeit allgegenwärtig zu sein.
In allen von mir durchgeführten Innenarchitekturprojekten habe ich auch eigene Kunstwerke eingebracht, ja. Wenn Sie das Restaurant betreten, sehen Sie meine Zeichnungen an der Wand.
Beginnen Sie ein Projekt mit einer Zeichnung?
Ja, es ist ein fortlaufender Prozess, aber ich beginne damit, den Raum zu skizzieren, dann die Möbelstücke. Wir arbeiten mit einem Architekten zusammen, der dann eine Art Rendering davon macht. Ich bin kein Architekt, aber ich kann mir Dinge leicht vorstellen. Dann brauche ich jemanden, der mir hilft, das in die Realität umzusetzen. Und das Rendering ist natürlich sehr gut, denn dann kann man alles zusammen sehen und sagen, vielleicht sollten wir diesen Stuhl oder diesen Tisch ändern.
Was hat Ihnen am Amaru-Projekt am besten gefallen?
Es war einfach eine Freude, in diesem Hotel zu arbeiten. Ich war 2019 für das Nomad Festival hier. Wir haben hier übernachtet und ich habe mich total in dieses Hotel verliebt, vor allem wegen der Renzo-Mongiardino-Lobby. Ich liebe sowieso alte, grosse Hotels. Aber hier haben mich die unglaubliche Lage und die Geschichte einfach angesprochen. Als das Kulm Hotel mich fragte, ob ich das Amaru-Projekt machen möchte, musste ich nicht lange überlegen. Es war ein echtes Traumprojekt.
Warum dieses Hotel?
Heute gibt es so viele Luxushotels und neue Häuser, die keine Persönlichkeit haben. Ich mag Hotels, die mir das Gefühl geben, zu dem Ort zu gehören. Ich sehe nicht wirklich den Sinn darin, in ein beiges internationales Hotel zu gehen, wo man überall sein könnte. Ich mag einfach Orte, die auf ihren Standort reagieren. Und die auch ein wunderbares Design haben. Schauen Sie sich in Mongiardinos Lobby um, ich glaube, das würde heutzutage niemand mehr tun. Ok, ich würde es wahrscheinlich tun. (lacht) Es ist einfach unglaublich. Ich liebe Orte mit Geschichte, Persönlichkeit und Charakter, und davon gibt es im Kulm jede Menge.
Sind Sie ein Nostalgiker?
Ich lasse mich gerne von der Vergangenheit inspirieren, aber ich glaube nicht, dass ich in der Vergangenheit gefangen bin. Da ist ein Unterschied. Ich versuche immer, etwas Neues zu schaffen, sei es ein Kleidungsstück, ein Raum oder ein Stoffdesign. Ich versuche immer, etwas zu schaffen, das zeitgenössisch wirkt, das mich an die Vergangenheit erinnert, sich aber auch neu anfühlt. Das ist der Schlüssel, ich möchte keine Imitation von irgendetwas schaffen, es geht um die feine Balance.
«Ich mag Hotels, die mir das Gefühl geben, zum Ort zu gehören.»
Haben Sie Amaru-Chefköchin Claudia Canessa in die Gestaltung des Restaurant-Interieurs einbezogen?
Ja, das war wichtig. Im Grunde ging es darum, Claudias Kochkünste und ihre peruanische Herkunft mit der Tatsache zu verbinden, dass wir in St. Moritz sind. Wie gesagt, es ist mir wichtig, den Ort widerzuspiegeln, an dem wir sind. Am Anfang hat sie mir viele Ideen geschickt, die ihr gefallen haben. Ich meine, zum Glück lieben wir beide Farben. (lacht) Sie war für alles zu haben.
Wie würden Sie den Kulm-Gästen das Design des Restaurants beschreiben?
Ich mag Restaurants und Hotels, die einen irgendwie mitreissen. Wenn man die Schwelle überschreitet, wird man an einen neuen Ort transportiert, an einen fantastischen Ort. Ich wollte für die Gäste eine solche Erfahrung schaffen. Ich denke, das erreicht man durch eine Mischung aus Musik, Kunstwerken und Beleuchtung. Aber ja, das Wichtigste war, dass es ein unterhaltsamer Ort sein sollte. Ich glaube, Claudia wollte, dass wir uns wirklich entspannt fühlen. Ein Ort, an dem man Essen teilt, laute Musik hört und bis spät in die Nacht Pisco Sours trinkt. Also musste ich für diese Dinge eine gute Kulisse schaffen.
Sie haben Hotels und Restaurants als Theaterbühnen bezeichnet. Fühlen Sie sich wie ein Filmregisseur, wenn Sie in Hotels und Restaurants arbeiten?
In gewisser Weise ist es wohl so, als wäre man ein Regisseur, der verschiedene Dinge zusammenbringt, um ein Erlebnis zu schaffen. Denn es gibt nichts Schlimmeres, als in ein Restaurant zu gehen, wo das Essen vielleicht wirklich gut ist, aber die Beleuchtung schlecht ist. Es macht einfach Spass, all diese Elemente zusammenzubringen.
Apropos: Ihr Lieblingsfilm?
Ich liebe Der Herr der Ringe und Fantasyfilme im Allgemeinen. Ich sollte wahrscheinlich Wes Anderson erwähnen: Grand Budapest Hotel ist einer meiner Favoriten oder The Darjeeling Limited. Ich liebe auch die Filme von Luca Guadagnino.
«Ich denke, das Kulm und St. Moritz im Allgemeinen sind Orte, an denen man Spass haben sollte.»
Sie verkörpern den Begriff der «maximalistischen Ästhetik» wie kein Zweiter …
Ich habe das Wort «Maximalismus» in den letzten Jahren ziemlich oft gehört, aber es hat etwas von seiner Bedeutung verloren. Die Leute haben sich in den letzten Jahren jedoch mehr für Farben und Muster begeistert, was grossartig ist. Vielleicht liegt es daran, dass sich die Leute seit den Covid-Lockdowns mehr für Häuser und Inneneinrichtungen im Allgemeinen interessieren. Vielleicht liegt es auch daran, dass es so viel Technologie gibt und die Leute davon wegkommen und sich mehr in Fantasiewelten begeben wollen.
Und was genau bedeutet Maximalismus?
Was die Leute unter Maximalismus verstehen, ist eine Menge Zeug. Aber es geht mehr um die Art der Inneneinrichtung. Die Kulm-Lobby mit der Überlagerung verschiedener Muster, Drucke und Farben ist das, was ich einen maximalistischen Raum nenne.
Was sollten wir tun, um unsere Häuser schön einzurichten?
Ich denke, das Wichtigste ist, Dinge auszuwählen, die man liebt. Wenn Sie Möbel, Stoffe oder was auch immer kaufen, die Sie wirklich lieben, ist das wichtiger, als ein Möbelstück zu kaufen, weil Sie denken, dass Sie es haben sollten oder weil Sie es im Haus von jemand anderem gesehen haben. Und wenn Sie Dinge in Ihrem Zuhause haben, die Sie anziehen, dann passen sie natürlich zusammen, sie müssen nicht von einem berühmten Designer sein. Vergessen Sie auch unbedingt alle Trends.
Als Kolumnist der Financial Times beantworten Sie Leserfragen rund um Ästhetik, Innenarchitektur und stilvolles Wohnen. Was sind klassische Leserfragen?
Oft geht es um Farben, das ist es, was die meisten Leute stresst. Sie haben grosse Angst, dass eine Farbe nicht funktioniert, wenn sie zum Beispiel eine Wand in einem knalligen Rot streichen.
Und was erzählen Sie ihnen?
Dass sie Farben einfach ausprobieren sollen. Wenn einem eine Farbe nicht gefällt, kann man sie schlimmstenfalls überstreichen. Aber Menschen haben diese Blockade, wenn es um Farben geht. Ich habe schon oft Wände neu gestrichen, weil mir die Farbe nicht gefallen hat. Ja, das ist ein bisschen mühsam, aber nicht das Ende der Welt.
Gab es auch Bedenken hinsichtlich Ihrer Farbwahl im Kulm Hotel?
Nein, alle Vorstandsmitglieder waren für alles offen, was grossartig war. Sie hätten etwas Langweiliges machen können, wie es viele Orte tun. Ich denke, das Kulm und St. Moritz im Allgemeinen sind Orte, an denen man Spass haben sollte. Die Leute kommen hierher, um Spass zu haben, was nicht bedeutet, dass es keine ernste Seite gibt, aber ich mag es, dass eine Art Schalk in der Luft liegt, wissen Sie?
Der Designer Rolf Sachs sagte einmal: «In St. Moritz hat der Unsinn Tradition.»
Ja, und zugleich fühlt es sich sehr einladend an – überhaupt nicht steif. Es ist dieser Mix, der den Reiz ausmacht. Da ist diese unglaubliche Natur, der Schnee ist einfach magisch, all die Sportarten, grossartige Kunst, Dinge rund ums Auto. Ich glaube, nicht jeder fährt hier Ski – man kann auch einfach in der Lobby sitzen und ein Buch lesen. Mir gefällt, dass man das Gefühl hat, hierherkommen und tun zu können, was immer man möchte. Es hat eine kreative Atmosphäre. Neulich bin ich zum See hinuntergegangen und habe all diese fantastischen Plakate gesehen, von denen ich völlig besessen bin.
Ihre Lieblingsorte auf der Welt?
Italien ist ein Land, in das ich sehr oft reise und aus dem ich viel Inspiration schöpfe. Ich mag Orte, die sich wie eine Reizüberflutung anfühlen – in Italien gibt es fantastisches Essen, fantastische Architektur, ich liebe die Städte, die Geschichte, die Kunst, es kommt alles zusammen. Ich liebe Cornwall, wo ich mir gerade ein kleines Haus gekauft habe – ein sehr inspirierender Ort. Und Schottland – wir fahren oft in die Highlands. Ich mag Orte mit wilden Landschaften.
Haben Sie weitere Inspirationsquellen?
Ich blättere in alten Kunst- und Designbüchern, aber oft inspirieren mich auch Romane. Häufig sind es Romanfiguren oder Schauplätze, die mich anregen.
Was bringt die Zukunft?
Ich habe gerade erst mit Kleidung begonnen, hauptsächlich Strickwaren, und wir beginnen, daraus weitere Kategorien zu entwickeln. Vielleicht möchte ich auch etwas mit Glas machen. Und das Theater fasziniert mich.